Die Waal, der Rhein in den Niederlanden mit unseren Seekajaks

Hier möchte ich gerne den Bericht von Wolfgang Schönwald dem Wanderwart aus Konstanz verlinken, welcher "seinen" Rhein bereits die Jahre zuvor schon  gepaddelt ist.

Für den letzten ihm fehlenden Abschnitt, den Rhein in den Niederlanden, suchte er Begleitung. Seekajak-Paddler unterschiedlicher Vereine und Nationalitäten, haben sich ihm angeschlossen, einschließlich Holger, Marikka und Lucia vom TSV Laiz.

 

--> Wofgangs Rheinbericht

 

...und hier ein Auszug des  Berichtes von der Etappe welche wir gemeinsam paddelten. Über den Rhein in den Niederlanden spuckt das Internet für eine Fahrtenplanung sonst sehr wenig aus. :-)

 

Der Rhein in den Niederlanden

… heißt für die ersten paar Kilometer ‘Boven Rijn‘ und gabelt sich bei •867• 70% Rheinwasser fließen linkerhand in die ‘Waal‘ welche später zur ‘Boven Merwede‘, weiter zur ‘Beneden Merwede‘ sowie (südlich) zur ‘Oude Maas‘ und (nördlich) zur ‘Noord‘, später ‘Nieuwe Maas‘ wird, auf der sich ein Großteil der Rheinschifffahrt bewegt. Letztendlich strömt bei •1036• rund die Hälfte allen Rheinwassers als ‘Nieuwe Waterweg‘ in die ‘Nordzee‘. Dort liegt das 630.000 Einwohner zählende Rotterdam mit dem größten Tiefwasserhafen Europas. Das Hafengebiet reicht knapp 40 Kilometer von der Innenstadt bis an den ‘Hoek van Holland‘ und nimmt etwa 100 Quadratkilometer Fläche ein, die für Paddler absolut Tabu sind. Außer geduldet auf der rechten (nördlichen) Seite des neuen Wasserweges, der heute der einzige permanent offene Durchfluss des Rheins in das Meer darstellt.
Unterwegs, zum Ende der ‘Boven Merwede‘ biegen noch einmal rund 25% Rheinwasser als ‘Nieuwe Merwede‘ ab, welche in das ‘Hollandsch Diep‘ und das ‘Haringvliet‘ übergeht. Dieser Teil bildet den südlichsten und mit bis zu 3 km breitesten Rheinmündungsarm.
Etwa 30% Rheinwasser biegen bei •867• nach rechts in den ‘Pannerdensch Kanaal‘ der sich nach 11 Kilometer noch einmal teilt: Westwärts in den ‘Nederrijn‘ der später zum ‘Lek‘ wird und gebremst durch 4 Schleusen ebenfalls zur ‘Nieuwe Maas‘ strebt, sowie Nordwärts in die ‘Gelderse Ijssel‘, die bei •1006• ungestaut in das ‘Ijsselmeer‘ mündet.
Alle Mündungsarme sind jeden vollen Kilometer mit etwas kleineren Schildern als in Deutschland gekennzeichnet, alle jeweils bezogen auf die alte Konstanzer Rheinbrücke.

Es gibt also Möglichkeiten, die beim Blick auf eine Karte mit Ausnahme der Ijssel häufig Gegenwind erwarten lassen. Anders als bei vielen anderen Flussmündungen im Gezeitenbereich gibt es am Rhein wenig Sedimentablagerungen, die Ufer sind nicht verschlickt oder total grundlos, ein Ausstieg ist somit für Paddler meist möglich. Außerdem ist allen gemein, das in den Niederlanden ein generelles Rechtsfahrgebot auf Wasserstraßen besteht – auch für Paddler (!!) was durchaus vom Rijkswaterstaat (RWS) kontrolliert wird. Berufsschiffer dürfen allerdings jetzt wieder mit einem gesetzten blauen Quadrat auf der linken, also falschen Seite fahren.

Wildzelten ist in den Niederlanden verboten, Kanuclubs sind kaum anzutreffen und eher den jeweiligen Mitgliedern vorbehalten. In manchen Jachthäfen kann nach Rückfrage beim Hafenmeister gezeltet werden, pauschal sollte man sich darauf aber nicht verlassen. So muss mit Campingplätzen vorliebgenommen werden, die auch in unserem nördlichem Nachbarland bei oft deutlich höheren Preisen leider nur selten über paddlergerechte / kleinzeltgerechte Ausstattung verfügen.

Es gibt in den Niederlanden richtig gute und detaillierte Wasserwegkarten auf denen auch Häfen und Campingplätze eingezeichnet sind. Vielleicht findet man deshalb kaum detaillierten Fahrtbescheibungen für Rheinpaddler, weder gedruckt noch online. Oder liegt es am vermeintlich dichten Schiffsverkehr?

Der Boven Rijn wird immer breiter und plötzlich stehen bzw. fahren Schiffe optisch quer zur Fließrichtung. Das muss die Gabelung sein, an der der Rhein seinen Namen  verliert

Wir würden gerne in den linken Arm, doch das scheint einfach quer rüber keine gute Idee, alles bisschen unübersichtlich. Also paddeln wir erstmal rechts weiter in den Pannerdensch Kanaal, überqueren diesen nach 100, 200 Metern rechtwinklig und paddeln wieder ordentlich auf der rechten Seite zurück, um die Spitze herum in die Waal, die zu Anfang gut beschleunigt und wellt und einiges schmaler als vermutet ist. Der Schiffsverkehr verringert sich gefühlt erheblich, die Landschaft wirkt einsam und weiterhin links lieblicher als rechts. Schon erreichen wir bei •871• den Campingplatz Waalstrand bei Gendt. Randvoll belegt und eigentlich ausgebucht, sehr ruhig, sehr gepflegt, rückblickend mit der besten Ausstattung der diesjährigen Tour, aber mühsamzumindest bei niedrigem Wasserstand Boote aus- und wieder einzuwassern. Heutiger Tagesschnitt (ohne große Pause): 7,4 km/h.

Am nächsten Morgen durchqueren wir die Hansestadt Nijmegen, die oberhalb sehr hoher Kaimauern thront, ansonsten Strände mit Pferden, Kühen, Gänsen, Möwen, Störchen und manchmal badenden Menschen, eine auch akustisch sehr ruhige, entspannte Etappe.

Die Schiffe stören überhaupt nicht, verursachen allerdings in Kombination mit den Buhnen zahlreiche, teils recht hohe Wellen. Ich bin froh um meine Bootswahl. Bei •889• sieht der Camping de grote Altena brauchbar aus. Hinter Tiel (wo man vermutlich gut anlanden könnte) erreichen wir theoretisch bei •919• den hinterm Deich liegenden Campingplatz Zinnewijnen. Praktisch müssen wir hinter •918• unmittelbar vor dem Parallel-Leitwerk  (Streckdamm) am Sandstrand aussteigen und 1,3 km rollern. Das auskundschaften sowie das Anmeldeprozedere braucht mindestens anderthalb Stunden. Nicht empfehlenswert! Zumal es insbesondere auf der linken Flussseite augenscheinlich wunderschöne Wildzeltmöglichkeiten geben dürfte. Angler meinten am nächsten Morgen, am Waal würde bei Kajakfahrern durchaus ein Auge zugedrückt … Heutiger Tagesschnitt ohne Mittagschlaf und ohne Kanuwandern: 8,1 km/h


Auch der dritte Tag ist wieder sehr entspannt.

Nach einer markanten Autobahnbrücke (A2) und der dahinter linksseitig liegenden hübschen Stadt Zaltbommel mit nahe dem Ufer liegenden Albert Heijn Supermarkt wird die Waal zusehends breiter. Die Fließgeschwindigkeit nimmt ab, die Gezeiten sollen sich langsam bemerkbar machen, jedenfalls weichen die Deiche und die Uferböschungen werden deutlich flacher. Der Schiffsverkehr ist eigentlich nur noch Kulisse. Bei •943• sieht rechts der kleine Camping de Zwaan neben einer flügellosen Windmühle recht nett aus, wir paddeln aber noch weiter bis in den linksseitigen Museumshafen von Woudrichem direkt hinter der Einmündung (aufpassen, etwas unübersichtlich) der ‘Afgedamde Maas‘ bei •953• wo man an einer Rampe sehr gepflegt aussteigen kann und im dahinter liegenden Camping de Mostardpot zwanglose Aufnahme findet. Tagesschnitt heute: 6,7 km/h

 

Ab der Maasmündung fließt der Rhein nun als Boven Merwede weiter, bleibt breit und außerordentlich leise trotz zunehmender Industrialisierung am Ufer. Bei •960• teilt er sich abermals, rechts geht der Hauptzug als Beneden Merwede weiter, wir biegen jedoch nach links in die Nieuwe Merwede ab. Nur 2 km später, direkt hinter dem Beatrixhaven (für große Binnenfahrtschiffe) biegt links das ‘Steurgat‘ ab, der Hauptwasserweg in den ‘Biesbosch‘ (Übersetzt Binsenwald, eine Art holländisches Taubergießen). Hinter der Schleuse öffnet sich eine komplett andere Welt. Anfangs recht romantisch surren bald zig kleine Außenbordmotoren um uns herum und verursachen kleine Kabbelwellen und eine Lautstärke, wie wir es auf der Waal oder der Merwede nie erlebt haben. Es mag an dem schönen Wetter liegen – wir haben den heißesten Tag des Jahres 2018 in den Niederlanden – oder an der durch die hohe Wassertemperatur extreme Verkrautung, die alle, auch uns, zwingt auf dem Hauptdurchfluss zu bleiben. Die hübschen kleinen Fließe links und rechts sind unpassierbar. Etwas entnervt und komplett durchgeschwitzt erreichen wir mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 5,2 km/h den Bauernhof Biesboschhoeve auf der Insel de Vischplaat der einen kleinen, autofreien Zeltplatz für Wasserwanderer anbietet. Bequemer Ausstieg an einer kleinen Rampe im Schilf rechts der Steganlage. Der Platz und das eiskalte „Schneewittchen“ (½ 7up und ½ Bier) entschädigen vollauf! Wir treffen erstmals auf andere Paddler.

 

 

In der Nacht kommt ein Wetterwechsel, ab jetzt haben wir typisches holländisches Wetter mit Regenschauern und Sturmböen. Wir beschließen trotz Gegenwind von 11 Knoten (20 km/h, 4 bft) weiter zu paddeln, nach 1½ Kilometern erreichen wir am linken Ufer der Amer etwas Windschatten und arbeiten uns vor, bis wir bei •980• wieder die Nieuwe Merwede erreichen. Der Wind steigert sich bis gegen 16 Knoten (30 km/h, 5 bft) und wir landen notfallmäßig nahe dem Moerdijkbrug-Monument an und machen erstmal 2 Stunden Mittagspause. Das Problem ist, das wir uns auf der falschen (linken) Seite befinden, voraus liegt das große Hafen- und Industriegebiet Moerdijk mit Containerterminal, Ölraffinerie, sowie fast der gesamten niederländischen Zuckerproduktion. Als die Schaumkronen etwas abflachen, queren wir 1000 m ans andere Ufer direkt parallel der Eisenbahnbrücke, was den Vorteil hat, das der Schiffsverkehr exakt definiert nur durch 2 Joche bergauf und 2 andere Joche talwärts fährt. So können wir das Ganze besser abschätzen und die rund 10 Brückenpfeiler geben zumindest psychologisch etwas Sicherheit bei den unangenehmen Seitenwellen. Schon einen Kilometer später müssen wir nur noch die ‘Dordtsche Kill‘ queren, den stark befahrenen Wasserweg nach Dordrecht. Und durch eine gewisse Gruppendynamik paddeln wir nicht weit genug Flussaufwärts um gescheit rechtwinklig queren zu können. Das wird für die langsameren unserer kleinen Gruppe echt knapp, zum Glück erkennt der Binnenschiffer unser Vorhaben und kann im letzten Moment etwas ausweichen. Da später der überwiegende Binnenschiffsverkehr links Richtung Antwerpen fahren wird, ist nur noch der Gegenwind Thema und wir kämpfen uns mit einem Dreierschnitt 15 km längst flacher Steinschüttungen, die für das dahinter liegende Naturschutzgebiet als vorgelagerte Wellenbrecher fungieren. Die Rheinkilometrierung endet mit •983• das Hollandsch Diep war bis zum Bau der Deltasperrwerke 1971 ein Meeresarm. Inzwischen bestehen auch die letzten 45 km nur noch aus süßem Rheinwasser. In der Marina Numansdorp (rechts 500 m vor der Haringvlietbrücke) erhalten wir gastliche Aufnahme und für die heutige Paddelleistung Anerkennung.

 

Auf dem folgenden Haringvliet gibt es Ost- also Rückenwind, leider nicht so stark wie gestern. Gegen Mittag schläft er ganz ein und es beginnt ordentlich zu regnen. Das Wasser ist wieder klarer und fast so schön grünlich wie vor 28 Etappen im Seerhein, der Himmel ist so trüb, das man an der Einfahrt in den Hafen von Hellevoetsluis nichts vom nahen Delta-Sperrwerk Haringvlietdam sieht. Man könnte meinen, es ginge ewig so weiter, bis England … Und würdest Du den Rhein noch einmal paddeln?
Sofort! Traum wäre durchgängig an einem Stück.


© 2018, Text und Fotos Wolfgang Schönwald

  

 

Bilder: Lucia